«Flexibel zu reagieren war schon immer eine Fähigkeit der Speditionswirtschaft»

Thomas Schwarzenbach, Direktor von SPEDLOGSWISS Nordwestschweiz, erläutert im Interview die bedeutende Rolle der Logistik in Zeiten einer Pandemie und wie der grenzüberschreitende Warenverkehr trotz hohen Grenzauflagen dennoch funktioniert.

Von Daniel Lüdin

Thomas Schwarzenbach, Direktor von SPEDLOGSWISS Nordwestschweiz, erläutert im Interview die bedeutende Rolle der Logistik in Zeiten einer Pandemie und wie der grenzüberschreitende Warenverkehr trotz hohen Grenzauflagen dennoch funktioniert. 

Herr Schwarzenbach, welche Bedeutung kommt der Logistik, insbesondere den Spediteuren, in diesen besonderen Zeiten einer Pandemie zu?
Thomas Schwarzenbach: Die Speditionswirtschaft stellt die Organisation von grenzüberschreitenden Gütertransporten inklusive Verzollung sicher. Im Falle einer Pandemie wird unsere Branche deshalb für die Schweiz versorgungsrelevant. Die Versorgungsketten für die Bevölkerung und Industrie auch während einer Pandemie aufrechtzuerhalten, ist eine herausfordernde Aufgabe. Flexibel auf neue Gegebenheiten zu reagieren war schon immer eine Fähigkeit der Speditionswirtschaft. Aber wohl erstmals in Friedenszeiten steht unsere Branche so sehr auf dem Prüfstand der Gesellschaft und der Wirtschaft. Sie hat es grossartig gemeistert: wir haben keine Versorgungsengpässe zu beklagen. Insbesondere in den Bereichen Lebensmittel, Pharma und Medizinaltechnik sind unsere Verbandsmitglieder unermüdlich daran, die Beschaffung und die Logistik trotz der Coronakrise aufrechtzuerhalten.

Sehen Sie im Moment eine Verlagerung zwischen den verschiedenen Transportmitteln? Wenn ja, welche und worauf ist das aus Ihrer Sicht zurückzuführen?
Die derzeit weltweiten Grenzbestimmungen gelten nicht für den Warenverkehr. Deshalb funktionieren die Verkehre auf der Strasse, der Schiene und dem Wasser grundsätzlich alle. Natürlich sind sie durch hohe Auflagen gebremst, aber sie funktionieren. Im Seefrachtverkehr leiden wir darunter, dass viele Container in China sind, die wir hier benötigen würden, weil dort die Produktion nach "Chinese New Year" nicht wieder hochgefahren wurde. Der einzige Verkehrsträger, der massiv beeinträchtigt ist, ist der Luftverkehr. Und zwar nicht im Bereich der Vollfrachter (diese werden derzeit stark nachgefragt für den Transport von Medizinalprodukten), sondern die Fracht, die im Bauch der Passagiermaschinen mitfliegt. Da der Luftverkehr weltweit auf ein Minimum geschrumpft ist, müssen in der Luftfracht derzeit andere Wege gewählt werden.

Wie funktioniert im Moment der grenzüberschreitende Warenverkehr?
Er wird durch die hohen Grenzauflagen natürlich verzögert. Gerade zu Beginn der Krise war klar, dass an den Aussengrenzen Abläufe umgestellt werden mussten, um die BAG-Richtlinien einhalten zu können. Das betraf nicht nur unsere Branche, sondern auch Transporteure und den Zoll. Aber man kann sagen: der grenzüberschreitende Warenverkehr funktioniert. Insbesondere der Import in die Schweiz läuft stark, die Nachfrage nach Verzollungsdienstleistungen ist hoch.

Welche Konsequenzen entstehen Ihren Mitgliedfirmen aktuell und mittelfristig aus dem Pandemie bedingten Lockdown?
Eine grosse Anzahl unserer Mitglieder haben Kurzarbeit angemeldet. Und als Unternehmen in einer kaufmännischen Branche sind sie mehrheitlich zu Homeoffice übergegangen. Das Echo, das ich von unseren Mitgliedern erhalte, ist ziemlich einheitlich: es funktioniert erstaunlich gut. Unsere Mitglieder sind in teils sehr spezialisierten Geschäftsfeldern tätig. Die Auswirkungen sind deshalb auch unterschiedlich. Ein Messespediteur steht vor der Situation, dass es derzeit gar keine Messen gibt. Sein Geschäft bricht auf null zusammen. Andere versuchen, Ertragsausfälle auf dem einen Verkehrsträger durch Forcierung anderer Geschäftsfelder zu kompensieren. Sicher ist nur eines: auch unsere Branche leidet massiv unter einem für uns noch nie dagewesenen globalen Auftragseinbruch.

Setzen Sie in Ihrem Verband momentan auch auf Homeoffice und Videokonferenzen, so wie es viele tun?
Ja. Unsere Geschäftsstelle ist seit 19. März 2020 noch minimal besetzt, alle andern Teammitglieder arbeiten im Homeoffice. Besprechungen innerhalb und ausserhalb der Geschäftsstelle halten wir online (Teams, Zoom) ab. Auch im Bereich Bildung sind wir auf online-Schulungen übergegangen, was ein Mehraufwand ist und von unserem Team eine Parforce-Leistung abverlangte. Die Coronakrise hat die Digitalisierung der Kommunikation nochmals stark beschleunigt.