Schneller, sicherer, günstiger: SBB Cargo stellt die Weichen auf Automatisierung

Vom automatischen Bremssystem bis zur neuen Kollisionswarnung: Die Innovationsteams von SBB Cargo beschäftigen sich intensiv mit der Modernisierung des Unternehmens. Welche Projekte dabei Priorität haben, erfuhren rund 40 interessierte Personen am jüngsten cluster-talk des Logistikcluster Region Basel im Smart City Lab Basel.

Von Daniel Lüdin

Der Treffpunkt für den Lunchevent vom 28. Juli des Logistikcluster Region Basel passte: Das Smart City Lab Basel, in dem seit 2019 Partnerinnen und Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung zusammenkommen, befindet sich in unmittelbarer Nähe des Güterbahnhofs Wolf. Schon seit dem 19. Jahrhundert werden an diesem Ort Güter umgeschlagen. Und obwohl hier in Zukunft ein neues Stadtquartier mit rund 550 Wohnungen entstehen wird, soll der Standort seine Bedeutung für die Logistik auch in Zukunft behalten.

Fast 30 Millionen Tonnen Güter pro Jahr

Mit mehr als einem Viertel Anteil an der gesamten Güterverkehrsleistung ist die SBB das führende Unternehmen im Schweizer Güterverkehr. «Knapp 16 Prozent entfallen auf die SBB Cargo AG», erklärt Fabienne Klaas, Beraterin Strategie- und Organisationsentwicklung. Jährlich transportiert das Unternehmen rund 46.7 Millionen Tonnen Güter netto – dies entspricht etwa 2.2 Mio Lastwagenfahrten pro Jahr. «Die Schweiz hat ein sehr dichtes Netz an Personen- und Güterverkehr», unterstreicht Anja-Maria Sonntag, Leiterin Development Asset Management bei SBB Cargo. Ihr Unternehmen sei dabei mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert. «Same Day Delivery, Übernacht-Transporte, höhere Geschwindigkeiten: Das sind nur drei von vielen Themen, mit denen sich die Güterverkehrsexperten beschäftigen. «Die Digitalisierung ist ein zentraler Baustein im Güterverkehr», betont Sonntag. Am Event der Handelskammer beider Basel präsentierte Sonntag mehrere Innovationen, die bereits umgesetzt wurden oder in den nächsten Jahren realisiert werden sollen. 

«Die Digitalisierung ist ein zentraler Baustein im Güterverkehr»

Anja-Maria Sonntag
Leiterin Development Asset Management bei SBB Cargo

Grosse Zeitersparnisse dank automatischen Kupplungen und Bremsproben

Seit 2019 verkehren Züge von SBB Cargo mit automatischen Kupplungen. Zahlreiche Güterwagen und Loks für den kombinierten Binnenverkehr wurden zu diesem Zweck bereits umgerüstet. «Automatische Kupplungen sind ein entscheidendes Element, um den Schienengüterverkehr effizienter, pünktlicher und konkurrenzfähiger zu machen.» Während bisher viele Arbeiten manuell erfolgten, kann der Rangiervorgang dank der neuen Kupplungen beschleunigt und sicherer gestaltet werden. Zum Trennen der Wagen ist nur noch ein Handgriff nötig.

Die Einführung der automatischen Bremsprobe ist ein weiterer Schritt zum teilautomatisierten Bahnbetrieb. Bisher mussten vor jeder Neuformierung eines Zuges die Bremsen von einem Mitarbeiter direkt am Wagen überprüft werden. Während der frühere Prozess bei einem 500 Meter langen Zug bis zu 40 Minuten dauerte, werden es in Zukunft nur noch 10 Minuten sein. Anstatt zu Fuss den ganzen Zug zu umrunden, kann der Mitarbeitende die Bremsen vom Führerstand aus direkt via Tablet kontrollieren. Laut Anja-Maria Sonntag liegen die Vorteile dabei nicht nur im Zeitgewinn: «Die körperliche Belastung der Mitarbeitenden wird reduziert, genauso wie der Aufenthalt im gefährlichen Gleisbereich.» Neuerungen gibt es auch bei der Prüfung der Güterwagons: Streckenseitig installierte Anlagen wie Sensoren und Kameras sowie intelligente Elemente an den Güterwagen sollen den aktuellen Wagenzustand künftig so umfassend darstellen, dass eine systematische manuelle Prüfung vor jeder Abfahrt des Zuges nicht mehr notwendig ist. 

Kollisionswarnsystem bringt mehr Sicherheit im Rangierbetrieb

Das Kollisionswarnsystem ist die dritte Komponente für den angestrebten «Ein-Personen-Betrieb» bei SBB Cargo. Das Unternehmen hat ein Assistenzsystem für Güterloks entwickelt, das wie ein ferngesteuertes Modellfahrzeug funktioniert. Das Projekt ermöglicht ein Rangieren mit Fahrwegüberwachung und soll im Rangierbetrieb mehr Sicherheit bieten und deutlich Zeit einsparen. «Mittels einer Funkfernsteuerung kann der Rangierspezialist mit Fahrkompetenz neben den Gleisen stehen und dabei die Komposition in beide Fahrrichtungen steuern», erklärt Anja-Maria Sonntag. Bisher mussten sich die Mitarbeitenden dazu jedes Mal an die Spitze der Rangierbewegung begeben. Attraktiver soll das Unternehmen aber nicht nur für die Mitarbeitenden, sondern auch für die Kunden werden. «Wir sind laufend daran, unsere Prozesse zu modernisieren.» Dazu gehört zum Beispiel die Realisierung einer digitalen Buchungsschnittstelle. «Die Güterwagen können ganz einfach per App eingecheckt werden.» Über ein transparentes Tracking soll der Kunde zudem jederzeit sehen können, wo sich ein Wagen befindet und wann er am Ziel ankommt.

«SBB Cargo befindet sich in einem komplexen Umfeld. Wir können deshalb nicht einfach ein neues System auf der grünen Wiese entwickeln.»

Anja-Maria Sonntag
Leiterin Development Asset Management bei SBB Cargo

Keine Frage: Die Digitalisierung sei für SBB Cargo mit vielen Herausforderungen verbunden. «SBB Cargo befindet sich in einem komplexen Umfeld. Wir können deshalb nicht einfach ein neues System auf der grünen Wiese entwickeln.» Hauptziel des Unternehmens sei es, sich innerhalb des bestehenden Netzwerkes zu entwickeln und fortlaufend zu verbessern. Dass SBB Cargo dabei stets in einem sicherheitsrelevanten Bereich agiere, mache die Herausforderung noch grösser. Anja-Maria Sonntag betont: «Wenn wir eine neue Entwicklung lancieren, dann hat sie Hand und Fuss.»